Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit
Luxemburg/Berlin. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub kann
bei im Sozialplan vereinbarter Kurzarbeit entsprechend gekürzt werden. Auf diese
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 8. November 2012 (AZ:
C‑229/11, C-230/11) wird hingewiesen.
Vor dem Arbeitsgericht Passau streiten sich zwei Arbeitnehmer
mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber, einem Unternehmen der
Automobilzulieferindustrie. Es geht um die Forderung einer finanziellen
Vergütung für Jahresurlaubstage, die diese Arbeitnehmer in den Jahren 2009 und
2010 nicht hatten nehmen können. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurden
die Mitarbeiter zum Ende Juni 2009 und Ende August 2009 gekündigt. Ihre Verträge
waren jedoch aufgrund eines zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten
Sozialplans um ein Jahr verlängert worden. Während dieser Zeit brauchten beide
nicht zu arbeiten ("Kurzarbeit Null"). Der Arbeitgeber war allerdings nicht
verpflichtet, ihnen Lohn zu zahlen. Sie erhielten von der Bundesagentur für
Arbeit über ihren Arbeitgeber Kurzarbeitergeld. Nach Ansicht des Arbeitgebers
konnten die Mitarbeiter während der "Kurzarbeit Null" keinen Anspruch auf
bezahlten Jahresurlaub erwerben.
Das Arbeitsgericht Passau hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob
das Unionsrecht nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten
entgegensteht, nach denen sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub in der
Zeit der Kurzarbeit verringert.
Dies hat der EuGH verneint. Das EU-Recht verbiete nicht, dass
ein Unternehmen und sein Betriebsrat einen Sozialplan vereinbaren, wonach der
Anspruch eines Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub entsprechend dem Umfang
der Arbeitszeitverringerung gekürzt werde. Das Unionsrecht gewähre zwar jedem
Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen, der auch bei
durchgehender Erkrankung im Urlaubsjahr nicht vermindert werden dürfe. Nach
Auffassung des EuGH unterscheidet sich die Situation eines Arbeitnehmers, dessen
Arbeitszeit im Rahmen eines Sozialplans verkürzt wurde, von der eines
Arbeitnehmers im Krankheitsurlaub, der nach der Rechtsprechung des EuGH ebenso
wie ein aktiver Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub hat,
grundlegend. Im Rahmen von Kurzarbeit seien nämlich sowohl die Pflichten des
Arbeitnehmers als auch die des Arbeitgebers im Wege einer Betriebsvereinbarung
außer Kraft gesetzt. Außerdem könne der Arbeitnehmer, dessen Arbeitszeit
verkürzt wurde, anders als ein erkrankter Arbeitnehmer die gewonnene Zeit
nutzen, um sich auszuruhen oder Freizeittätigkeiten nachzugehen. Der
Arbeitnehmer in Kurzarbeit sei insoweit dem Arbeitnehmer in Teilzeitarbeit
vergleichbar, der ebenfalls nur einen an dem Umfang seiner Arbeitszeit
bemessenen anteiligen Urlaubsanspruch besitze. Wäre der Arbeitgeber
verpflichtet, während der Kurzarbeit für den bezahlten Jahresurlaub aufzukommen,
könnte dies im Übrigen dazu führen, dass er der Vereinbarung eines Sozialplans,
der aus rein sozialen Gründen und somit im Interesse des Arbeitnehmers eine
Verlängerung des Arbeitsvertrags vorsehe, ablehnend gegenüberstehe.
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