Bei ärztlichem Behandlungsfehler muss Patient keine
Nachbehandlung zulassen
Jena/Berlin. Ein Patient darf wegen einer Fehlbehandlung
Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen. Er muss dem Arzt nicht zuvor die
Möglichkeit der Nachbehandlung, die sogenannte Nacherfüllung, einräumen. Zum
einen kann das Arzt-Patienten-Verhältnis derart gestört sein, dass eine
Nacherfüllung ausscheidet. Zum anderen kann die Art des Behandlungsfehlers
bereits eine Nacherfüllung ausschließen. Dies ergibt sich aus einem Urteil des
Oberlandesgerichts (OLG) Jena vom 29. Mai 2012 (AZ: 4 U 549/11).
Die Patientin ließ sich ein Inlay und eine Krone einsetzen.
Kurz nach dem Einsetzen der Krone musste sie sich nachts wegen Schmerzen in eine
zahnärztliche Notbehandlung begeben. An beiden behandelten Zähnen wurde Karies
festgestellt, sowohl unter dem Inlay als auch am Kronenrand. Ihren Zahnarzt
suchte die Patientin daraufhin nicht mehr auf. Sie verlangte Schadensersatz und
Schmerzensgeld von ihm.
Das Landgericht stellte zwar die Behandlungsfehler fest,
verweigerte der Frau aber Schmerzensgeld und Schadensersatz. Es begründete die
Entscheidung damit, dass die Frau zunächst bei dem Zahnarzt eine Nacherfüllung
hätte verlangen müssen.
Dieser Argumentation folgte das OLG nicht. Das allgemeine
Prinzip der Nacherfüllung könne nicht auf diesen Fall übertragen werden. Die
Behandlungsfehler lägen hier in einer fehlerhaften Befunderhebung: Der Arzt
hätte vor Einsatz des Zahnersatzes nicht den vorhandenen Karies diagnostiziert.
Diese Diagnose könne nicht „nachgeholt“ werden. Zudem hätte die Patientin den
Behandlungsvertrag mit dem Arzt allein schon dadurch gekündigt, dass sie weitere
Termine nicht wahrgenommen habe. Mit Vertragskündigung entfiele aber die
Verpflichtung für die Patientin, dem Arzt die Möglichkeit der Nacherfüllung zu
gewähren. Daher habe sie grundsätzlich Anspruch auf Schadensersatz und
Schmerzensgeld.
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