Schlechte Arbeit führt nicht
automatisch zur Kündigung
München/Berlin. Ein Arbeitgeber kann einen Angestellten nicht mit der
Begründung kündigen, er mache besonders viele Fehler. Eine solche Kündigung
setzt grundsätzlich voraus, dass die „Durchschnittsleistung“ der vergleichbaren
anderen Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum vom Arbeitgeber dokumentiert
wird. Nur so kann festgestellt werden, ob der gekündigte Arbeitnehmer die
durchschnittliche Fehlerhäufigkeit über längere Zeit hinweg erheblich
überschritten hat. Liegt eine solche überdurchschnittliche Häufigkeit vor, kann
diese jedoch je nach Fehlerzahl, Art und Schwere der Folgen eine Kündigung
rechtfertigen. Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
München vom 3. März 2011 (AZ: 3 Sa 764/10).
Die Klägerin ist kaufmännische Angestellte und beim Versand von Paketen und
Frachtbriefen für die Erfassung nationaler und internationaler Frachtdaten
zuständig. Nach einer Reihe von Fehlern, wie beispielsweise der Aufnahme einer
falschen Länderkennung, der falschen Bezeichnung des Frachtgutes und der
Nichtdeklarierung als Zollgut, kündigte ihr der Arbeitgeber. Er argumentierte,
dass die Arbeitnehmerin bis zu einer Umorganisation anstandslos gearbeitet
hätte. Es fehle ihr damit nicht am Fachwissen, sondern an ihrer Bereitschaft,
dieses Fachwissen entsprechend einzusetzen. Vor Gericht erklärte der
Arbeitgeber, dass die Mitarbeiterin Fehler gemacht habe, die andere Arbeitnehmer
nicht machten. Die Angestellte wehrte sich gegen die Kündigung mit der
Begründung, dass dem Arbeitgeber kein Schaden entstanden sei. Zudem würden auch
andere Mitarbeiter Fehler machen und letztlich die vom Arbeitgeber geschilderten
Vorfälle Bagatellen darstellen.
Die Kündigung ist unwirksam, stellte das Gericht fest. Zwar würden sich aus dem,
was der Arbeitgeber darlegte, tatsächlich erhebliche qualitative Fehler der
Mitarbeiterin, also eine qualitative Minderleistung, ergeben. Trotzdem sei die
Kündigung nicht gerechtfertigt. Bei der Bewertung, ob eine qualitative
Minderleistung vorliege, komme es darauf an, ob der Arbeitnehmer dasjenige tue,
was er solle, und zwar so gut, wie er es könne. Die Leistungspflicht sei nicht
starr, sondern dynamisch und orientiere sich an der Leistungsfähigkeit des
Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab sei nicht anzusetzen. Der Umstand, dass
der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringe, müsse nicht
zwangsläufig bedeuten, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht
ausschöpfe. Allerdings könne die langfristige deutliche Überschreitung der
durchschnittlichen Fehlerquote ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der
Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten verletze. Hierzu müsse der
Arbeitgeber dann aber Tatsachen darlegen, aus denen ersichtlich wäre, dass die
Leistung der Klägerin deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer
zurückgeblieben sei. Notwendig sei also eine Vergleichsmöglichkeit mit der
„Vergleichsgruppe“. Diese habe hier aber gefehlt.
Der Fall zeigt, dass man sich früh anwaltlicher Hilfe versichern sollte. So
konnte sich die Angestellte erfolgreich gegen die Kündigung wehren. Auf der
anderen Seite sollten sich Arbeitgeber frühzeitig über die Möglichkeit von
Kündigungen beraten lassen,
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