Wie ist ein vor der Hochzeit
errichtetes Testament zu bewerten?
(dpa/red). Was wird aus einem Testament, wenn neue
Lebensverhältnisse eigentlich zu einer anderen gesetzlichen Erbfolge führen
würden? Das ergibt sich aus einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 10.
November 2015 (AZ: 6 W 54/15).
Der Erblasser errichtet 2005 ein Testament, in welchem er
seine Tochter zur Alleinerbin einsetzt. Einige Jahre später heiratet er, ohne
das Testament vor seinem Tod zu ändern. Vielmehr macht er sich nach der Hochzeit
zusammen mit seiner Tochter und schriftlich Gedanken, was mit seinen
verschiedenen Immobilien nach seinem Tod passieren soll. Die Ehefrau ficht das
Testament an, sieht sich als Miterbin neben der Tochter des Erblassers und klagt
ihre Erbenstellung ein.
Das KG weist ihre Klage zurück, da nach dessen Ansicht
anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die Verfügung
zugunsten seiner Tochter auch nach der Eheschließung getroffen haben würde.
Diese Überzeugung gewinnt der Senat daraus, dass der Erblasser, obwohl er sich
mit der Möglichkeit seines Todes beschäftigt, in Kenntnis der Umstände der ohne
Testament gesetzlichen Miterbenstellung der Ehefrau gleichwohl kein neues
Testament abfasste. Vielmehr stellte er zusätzlich Überlegungen zu seinen
Immobilien an, die er nur mit seiner Tochter absprach, ohne seine Ehefrau in
diesem Zusammenhang ebenfalls auf die Umsetzung seines Willens zu verpflichten.
Der Wille des Erblassers, an seinem Testament mit Einsetzung
seiner Tochter als Alleinerbin festzuhalten, tritt nach Ansicht des KG
insbesondere bei den von ihm schriftlich niedergelegten Gedanken zur Zukunft
eines anderen Hauses hervor. Diese Überlegungen sind unstreitig nicht nur
abstrakte Überlegungen geblieben, vielmehr sind sie insoweit umgesetzt worden,
als der Erblasser seiner Schwester deren Miteigentumsanteil an dem Grundstück
abgekauft hat. Die weitere Umsetzung seiner Überlegungen hing von einer
entsprechenden Bereitschaft seiner Erben ab. Dass der Erblasser allein eine
Absprache mit seiner Tochter für angezeigt hielt, um seine Überlegungen
umzusetzen, belegt erstens seinen Willen, sie weiterhin als seine Alleinerbin
einzusetzen, mithin am Testament festzuhalten, und zeigt zweitens sein Vertrauen
in seine Tochter, dass sie seine Überlegungen nach seinem Tod umsetzen würde.
Dass er bei der Abfassung seiner Überlegungen sein Ableben berücksichtigte, wird
im Text hinreichend angesprochen, auch wenn der Erblasser dies nicht
ausdrücklich ausspricht. Die Beschäftigung dem wirtschaftlichen Unvermögen
seiner Geschwister sowie seiner Tochter dazu, ohne die Ehefrau in diesem
Zusammenhang in seine Überlegungen einzubeziehen, lässt erkennen, dass er sie
nicht in den Kreis seiner nächsten Familienangehörigen einordnete, die für den
Erhalt des Hauses als Familiensitz sorgen sollten. Hätte der Erblasser seine
Ehefrau dagegen als Miterbin einsetzen wollen, wäre demgegenüber nach den
Umständen zu erwarten gewesen, dass er in diesem Fall Absprachen auch mit ihr
getroffen hätte.
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