Rechtsanwalt Gerhard Raab in Frechen-Königsdorf

Anfechtung einer Erbausschlagungserklärung

 

(dpa/red). Wer nicht Erbe werden will, muss die Erbschaft ausschlagen. Wer aber dann doch Erbe werden will, muss die Erklärung über die Erbausschlagung anfechten. Nach dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 16.11.2016; Az.: 3 WX 12/16) liegt ein Grund zur Anfechtung vor, wenn man einem Irrtum über die Zugehörigkeit eines Anspruchs zum Nachlass unterliegt.

Die unverheiratete und kinderlose Erblasserin kam am 24.3.2015 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Am 28.4.2015 schlägt die Tante der Erblasserin das Erbe aus. Mit Schreiben vom 11.6.2015 erklärt die Tante gegenüber dem Nachlassgericht die Anfechtung der Erbschaftsausschlagung, da aufgrund des Flugzeugabsturzes der Erblasserin Schadensersatzansprüche gegen die Fluggesellschaft in noch nicht bezifferbarer Höhe zustehen, die in den Nachlass fallen. Zum Zeitpunkt der Erbausschlagung ist sie aufgrund einer Auskunft des beurkundenden Notars davon ausgegangen, dass nur die Hinterbliebenen der Absturzopfer Schadensersatzansprüche gegenüber der Fluggesellschaft haben, während der Erblasserin selber keine Ansprüche zustehen. Das Nachlassgericht sieht hierin keinen Anfechtungsgrund und verweigert aufgrund der Erbausschlagung einen Erbschein zu ihren Gunsten.

Das OLG gab der Tante recht: Es liegt ein Irrtum der Tante über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses vor: Grundsätzlich wird die Erbschaft als eine Sache angesehen, so dass ein Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Erbschaft zur Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung berechtigt. Bei dem Irrtum der Tante über die Zugehörigkeit der Schmerzensgeldansprüche der Erblasserin zum Nachlass handelt es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Erbschaft. Allerdings stellt ein Irrtum über die Größe des Nachlasses grundsätzlich keinen Anfechtungsgrund dar, da nicht der Wert selbst, sondern die wertbildenden Faktoren als Eigenschaften anzusehen sind. Wer eine Erbschaft für finanziell uninteressant hält und daher ausschlägt, kann dies nicht anfechten, wenn sich später das Vorhandensein eines wertvollen Nachlassgegenstandes herausstellt oder sich ein Nachlassgegenstand als wertvoller herausstellt, als bei der Ausschlagung angenommen wurde. Zu den Eigenschaften der Erbschaft gehört dagegen die Zusammensetzung des Nachlasses, so dass ein Irrtum über die Zugehörigkeit bestimmter Rechte zum Nachlass zur Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung berechtigen kann, wenn es sich dabei um eine wesentliche Eigenschaft handelt. Das wird bei einem Irrtum darüber angenommen, ob der Nachlass überschuldet ist oder nicht, sofern der Irrtum auf falschen Vorstellungen über das Vorhandensein von Nachlassgegenständen oder Nachlassverbindlichkeiten beruht, nicht aber auf einer fehlerhaften Einschätzung des Wertes. Die Zugehörigkeit eines Gegenstandes bzw. einer Forderung zum Nachlass kann aber auch dann eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Erbschaft darstellen, wenn eine mögliche Überschuldung des Nachlasses nicht im Raum steht. Verkehrswesentlich sind dabei wertbildende Faktoren von besonderem Gewicht, die im Verhältnis zur gesamten Erbschaft eine erhebliche und für den Wert des Nachlasses wesentliche Bedeutung haben. Vorliegend ist allein aufgrund der Höhe der von der Tante vermuteten Schmerzensgeldansprüche im Verhältnis zum gesamten Nachlass ein Irrtum der Tante über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Erbschaft anzunehmen. Auszugehen ist dabei von dem Angebot der Fluggesellschaft in Höhe von 25.000 Euro. Denn ob sich darüber hinaus, wie die Tante meint, weitere Ansprüche, insbesondere in den USA, realisieren lassen, ist vollkommen offen. Dem Betrag von 25.000 Euro steht der im Erbscheinsantrag angegebene Nachlasswert von 35.000 Euro gegenüber, so dass der Zuordnung der Schmerzensgeldansprüche erhebliche Bedeutung für den Wert des Nachlasses zukommt.

Es muss dargetan werden, dass der Erbe bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung des Falles die Ausschlagung nicht erklärt hätte, wobei wirtschaftlichen Erwägungen besonderes Gewicht zukommt. Die Tante gibt an, sie habe die Ausschlagung im Hinblick auf sich andeutende Konflikte über die Erbauseinandersetzung erklärt, denen sie sich aufgrund ihrer psychischen Verfassung nicht gewachsen gefühlt habe. Im Hinblick auf diesen Beweggrund hätte sie die Ausschlagung bei verständiger Würdigung nicht erklärt, wenn sie von der Zugehörigkeit des Schmerzensgeldanspruchs zum Nachlass gewusst hätte. Zwar dürfte bei einem höheren Nachlasswert eher noch mit einer verschärften Erbauseinandersetzung zu rechnen gewesen sein. Allerdings trägt die Tante vor, die Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruchs sei für sie persönlich zur Verarbeitung des traumatischen Verlusts ihrer Verwandten wichtig. Insoweit ist der dem Nachlass zuzurechnende Schmerzensgeldanspruch als symbolische Wiedergutmachung zur Trauerbewältigung - jedenfalls aus Sicht der Tante - geeignet. Es erscheint deshalb nachvollziehbar, dass die Tante die Ausschlagung nicht erklärt hätte, wenn ihr die Zugehörigkeit des Schmerzensgeldanspruchs zum Nachlass bekannt gewesen wäre.

 

 

     
     
     
   
     
     

 

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