Abgasschummelei: Käufer kann Kaufvertrag rückgängig machen
Hamburg/Berlin. Die Schummelei bei den Abgaswerten ist in
aller Munde. Daher sorgt jetzt ein Urteil für Aufsehen, wonach der Käufer vom
Autokauf zurücktreten kann. Die Manipulation der Abgaswerte sei in jedem Fall
ein erheblicher Mangel, der zum Rücktritt berechtigt. Auf das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 16. November 2016 (AZ: 301 O 96/16) wird hingewiesen.
Im März 2014 kaufte die Frau von einem Audi-Händler einen Audi
Q3 Diesel für rund 34.000 Euro. Dessen Motor war mit einer Software
ausgestattet, die je nachdem, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder in
realem Fahrbetrieb befindet, unterschiedliche Abgasreinigungsmodi in Gang setzt.
Über diese Umstände informierte der Hersteller die Käuferin schriftlich im
Februar 2016. Darin hieß es, dass die Werte im realen Farbebetrieb schlechter
seien als im Prüfungsmodus. Eine Instandsetzung werde noch starten.
Mit Anwaltsschreiben rügte die Kundin noch im Februar 2016 die
Software als Sachmangel. Sie setzte eine Mängelbeseitigungsfrist bis zum 11.
März 2016. Ein entsprechendes Update war jedoch technisch noch nicht möglich, so
dass die Käuferin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärte.
Der Audi-Händler aus Hamburg verwies auf eine Rückrufaktion
der Volkswagen AG und darauf, dass die Nachbesserung nur einen sehr geringen
Zeit- und Kostenaufwand verursachen würde. Es sei der Frau zumutbar, abzuwarten,
bis die Nachbesserung möglich sei. Man könne aber noch nicht absehen, wann ihr
Fahrzeug zur Nachbesserung aufgerufen werde.
Die Frau meinte, wegen der Schummelsoftware liege ein Mangel
am Fahrzeug vor. Dieser sei auch nicht unerheblich. Es müsse der wirtschaftliche
Aufwand für die Mängelbeseitigung im Ganzen gesehen werden und nicht nur der
Anteil jedes einzelnen Fahrzeugs.
Der Audi-Händler wehrte sich gegen die Klage mit dem Argument,
dass das Auto eigentlich mängelfrei sei. Es habe sämtliche Genehmigungen und sei
zugelassen. Auch sei nach Auffassung des Kraftfahrzeugbundesamts die geplante
Änderung geeignet, die Vorschriftsmäßigkeit wiederherzustellen.
Die gerügte Software sei auch unerheblich. Der zeitliche
Aufwand der Beseitigung werde bei etwa einer halben Stunde liegen und versuche
Ursache Kosten in Höhe von weniger als 100 Euro. Selbst wenn man sämtliche
Entwicklungskosten von insgesamt 70 Millionen Euro weltweit (ohne Nordamerika)
zu Grunde legte, ergäben sich bei zehn Millionen betroffenen Fahrzeugen
Nachbesserungskosten pro Fahrzeug von rechnerisch sieben Euro. Noch im Oktober
2016 informierte der Händler darüber, dass das Update für das Fahrzeug nunmehr
bereitstehe.
Das Landgericht in Hamburg entschied, dass die Käuferin ein
Rücktrittsrecht habe und der Händler den Wagen zurücknehmen müsse. Nach
Auffassung des Gerichts bestand ein Sachmangel. Der Mangel liege darin, dass die
Straßenverkehrszulassung und die Genehmigungen des Autos auf der Grundlage
falscher Werte erteilt worden seien. Letztlich seien niedrigere Abgaswerte
vorgetäuscht worden. Damit sei das Auto nicht vorschriftsmäßig. Dies ergebe sich
schon aus dem Schreiben des Händlers, wonach mit der Aktualisierung die
Vorschriftsmäßigkeit „wiederhergestellt“ würde.
Hierzu das Gericht: „Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs
können objektiv erwarten, dass in dem von ihnen erworbenen Fahrzeug eine solche,
auf Täuschung der zuständigen Kontrollinstanzen angelegte und vorschriftswidrige
Vorrichtung nicht vorhanden ist.“
Dieser Mangel sei auch nicht lediglich geringfügig, wie von
Audi behauptet. Unerheblich sei der Mangel dann, wenn für die Behebung des
Mangels lediglich ein Prozent der Anschaffungskosten aufgewendet werden müsste.
Als maßgeblicher Zeitpunkt gelte der der Rücktrittserklärung. Zum Zeitpunkt der
Rücktrittserklärung habe es noch gar nicht die Möglichkeit einer Nachbesserung
gegeben. Das Update lag erst im Oktober 2016 vor.
Darauf komme es aber letztlich nicht einmal an. Selbst nach
Angaben des Beklagten mussten weltweit 70 Millionen Euro - ohne USA und Kanada -
aufgewendet werden, um eine Nachbesserung bereitzustellen. Die
Erheblichkeitsschwelle des Mangels sei laut Bundesgerichtshof dann erreicht,
wenn sie fünf Prozent des Kaufpreises überschreite (AZ: VIII ZR 94/13). Bei den
reinen Nachbesserungskosten von 100 Euro wäre diese noch nicht überschritten.
Jedoch seien die 70 Millionen Euro als erheblich anzusehen. Es könne nicht davon
abhängig gemacht werden, wie viele Fahrzeuge tatsächlich betroffen seien. Wenn
nicht zehn Millionen Fahrzeuge, sondern nur 10.000 mit dem Mangel behaftet
wären, betrügen die umgelegten Entwicklungskosten nicht sieben Euro, sondern
7.000 Euro pro Fahrzeug. In diesem Fall läge ein erheblicher Mangel vor. Daher
müsse eine Umlage der Entwicklungskosten unterbleiben. Es komme eben nicht
darauf an, auf wie viele Fahrzeuge diese Kosten umgelegt werden könnten.
Bei der durchschnittlichen Laufleistung des Fahrzeugs von
250.000 km müsse der Nutzungsvorteil der tatsächlich gefahrenen 70.000 km
berücksichtigt werden. Deshalb zog das Gericht 13.000 Euro als Nutzungsvorteil
vom Kaufpreis ab. Der Frau stand demnach gegen Rückgabe des Fahrzeuges ein
Betrag von rund 21.000 Euro zu. Auch waren die Anwaltskosten zu ersetzen.
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