„Meine
Verwandten bekommen nichts!“ - Ein eindeutiges Negativtestament?
(dpa/red). In einem
sogenannten Negativtestament kann der Erblasser bestimmen, dass bestimmte
Verwandte von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sein sollen. Wenn der
Erblasser aber festlegt, dass die Verwandten nichts bekommen sollen, sind dann
wirklich alle Verwandten gemeint? Hierzu wird auf die Entscheidung des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
25.
September 2015 (AZ: I-7 U 77/14) hingewiesen.
Die allein stehende Erblasserin schließt in ihrem 1976
errichteten Testament 2 bestimmte Nachfahren ihrer Urgroßeltern und deren
Nachfolger ausdrücklich namentlich von der Erbfolge aus. Sodann schreibt sie:
„Es ist mein letzter Wille daß andere entfernte Verwandte nichts vom ganzen
Vermögen erhalten.“ Einen Erben bestimmt sie hingegen nicht.
Eine Cousine 2. Grades nimmt an, dass sie gesetzliche Miterbin
geworden ist und beantragt einen Erbschein zu ihren Gunsten. Sie meint, dass
Aufgrund der Benennung des Ausschlusses einzelner Personen bzw. Personengruppen
durch die Erblasserin im Testament sich im Umkehrschluss ergebe, dass die
übrigen gesetzlichen Erben Rechtsnachfolger geworden sind. Die Erblasserin
wollte innerhalb ihrer Familie nicht alle Verwandten enterben. Dies ergebe sich
auch schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung, dass niemand wolle, dass der
Fiskus erbe.
Das OLG Düsseldorf sieht dennoch den Fiskus als Erben an: Der
Erblasser kann nach dem Gesetz aufgrund der Testierfreiheit grundsätzlich durch
ein so genanntes Negativtestament Verwandte teilweise oder vollständig von der
gesetzlichen Erbfolge ausschließen, auch ohne gleichzeitig eine positive
Anordnung über die Erbfolge zu treffen.
Die Enterbung eines gesetzlichen Erben umfasst in der Regel
nicht dessen Abkömmlinge, es sei denn auch dieser Wille des Erblassers ergibt
sich unzweideutig aus der letztwilligen Verfügung. Dieser Wille des Erblassers
muss bei der weiteren Enterbung der Abkömmlinge aber unzweideutig zum Ausdruck
kommen.
Im Rahmen der Auslegung ist der im Rechtssinn erklärte
wirkliche Wille der Erblasserin zu erforschen, wobei nicht an dem buchstäblichen
Sinn eines Ausdrucks zu haften ist und der gesamte Inhalt der Erklärung
einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments als
Ganzes zu würdigen und zudem die allgemeine Lebenserfahrung zu berücksichtigen
ist. Der Wortsinn der benutzten Ausdrücke muss gewissermaßen „hinterfragt”
werden, wenn dem wirklichen Willen des Erblassers Rechnung getragen werden soll.
Es müssen daher der gesamte Text der Verfügung und auch alle zugänglichen
Umstände außerhalb der Testamentsurkunde ausgewertet werden, die zur Aufdeckung
des Erblasserwillens möglicherweise dienlich sind. Hierzu gehören unter anderem
die Vermögens- und Familienverhältnisse des Erblassers, seine Beziehungen zu den
Bedachten und seine Zielvorstellungen.
Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der letztwilligen
Verfügung, wobei zunächst die einzelne Verfügung isoliert zu betrachten ist und
dann im Kontext mit dem gesamten Text. Im nächsten Schritt sind dann der Aufbau,
die Systematik des Testaments und letztlich die allgemeine Lebenserfahrung bzw.
allgemeine Erfahrungssätze zu berücksichtigen.
Verwandtschaft im familienrechtlichen Sinne ist im BGB
definiert. Danach ist die Klägerin mit der Erblasserin in Seitenlinie verwandt,
da der Großvater väterlicherseits der Erblasserin der Urgroßvater
mütterlicherseits der Klägerin gewesen ist. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch
- unter Berücksichtigung des maßgeblichen Zeitpunkts der Testamentserrichtung -
ist die Klägerin für die Erblasserin eine entfernte Verwandte, denn sie gehört
als Tochter der Cousine der Erblasserin nicht nur einer anderen Generation an,
sondern das engste gemeinsame Familienmitglied, zu dem jeweils eine
Verwandtschaft in gerader Linie besteht, ist der Urgroßvater der Klägerin, der
bereits 1871 verstorben ist, den mithin selbst die 1894 geborene Erblasserin
nicht persönlich kannte. Die Auslegung des Testamentes der Erblasserin ergibt
dadurch zweifelsfrei, dass die klagende Cousine 2. Grades eine „andere entfernte
Verwandte“ im Sinne des Testaments ist.
Auch der Umstand, dass die Klägerin die Erblasserin persönlich
kannte und lebzeitiger Kontakt bestand, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn
persönlicher Kontakt mit Verwandten, seien sie nahe oder entferntere Verwandte,
führt nicht dazu, dass sich die Nähe der Verwandtschaft verändert; aus
entfernten Verwandten werden dadurch nicht nahe Verwandte, sondern
gegebenenfalls einer Person nahestehende entfernte Verwandte. Die Formulierung
im streitgegenständlichen Testament bezieht sich aber offenkundig nicht auf das
persönliche Näheverhältnis, sondern auf die Nähe der Verwandtschaft. Das
Testament trifft zudem keine Regelung dahingehend, dass „entfernte Verwandte“
nur solche sein sollen, die die Erblasserin nicht persönlich kannte Die Klägerin
ist somit eine entfernte Verwandte der Erblasserin.
Dass dieses Ergebnis der Auslegung nicht dem tatsächlichen
Willen der Erblasserin entspräche, ist nicht ersichtlich. Dass die nach der
Auslegung zweifelsfreie Enterbung aller entfernten Verwandten mit dem dritten
Satz des Testaments die vorhergehenden Sätze - jedenfalls weitgehend -
überflüssig machte, begründet nicht den Rückschluss, dass dieses Ergebnis dem
tatsächlichen Willen der Erblasserin nicht entsprechen würde. Mit der Aufzählung
der Personen hat die Erblasserin erst definiert, was sie unter einem entfernten
Verwandten verstand, nämlich bereits ihren Cousin.
Ob tatsächlich ein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend
besteht, dass ein Erblasser das Erbrecht eines auch noch so weit entfernten
Verwandten zumeist dem Erbrecht des Fiskus vorziehen würde, kann dahinstehen,
denn der Ausschluss des Verwandtenerbrechts ist hier anhand der letztwilligen
Verfügung der Erblasserin ohne Zweifel feststellbar, so dass das Erbrecht
des Fiskus nicht vorschnell angenommen worden ist.
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