ADHS: Kein Verlust des Anspruchs auf Ausbildungsunterhalt
trotz abgebrochener Ausbildung
(red/dpa). Ein volljähriges Kind, das seine Ausbildung nicht
planvoll und zielstrebig in Angriff nimmt und ‚durchzieht’, kann seinen Anspruch
auf Ausbildungsunterhalt verlieren. Fehlt ihm jedoch krankheitsbedingt die
Einsichtsfähigkeit, dass es das nur leisten kann, wenn es sich vor
Ausbildungsbeginn in ärztliche Behandlung begibt, entfällt der Unterhalt nicht.
Der junge Mann litt an einem
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und einer Lernbehinderung.
Das Familiengericht hatte entschieden, dass sein Vater ihm für den Zeitraum von
März 2012 bis März 2013 keinen Ausbildungsunterhalt zahlen müsse. Nach Meinung
der Richter hatte der Sohn nicht nachweisen können, dass er den Unterhalt
benötige. Ein volljähriges Kind sei verpflichtet, grundsätzlich jede
Erwerbsmöglichkeit zu nutzen, um für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen.
Leide es an ADHS und einer Lernbehinderung, sei es verpflichtet, alles zu
unternehmen, um wieder arbeiten zu können. Ziel sei, dass er für seinen eigenen
Unterhalt sorgen könne. Eben das habe der junge Mann aber nicht getan.
Die Richter machten ihm dabei nicht zum Vorwurf, dass er in
der 8. Schulklasse die Tabletten gegen seine Erkrankung eigenmächtig abgesetzt
hatte, wodurch sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechterte. Der Mann
hatte sie dann aber erst wieder im Zuge seiner jugendpsychiatrischen Behandlung
ab März 2013 eingenommen. Er hätte das jedoch nach Ansicht der Richter des
Familiengerichts deutlich früher tun müssen, etwa nach dem Abbruch seiner
Ausbildung zum Maler und Lackierer im März 2012.
Er sei seit seinem dritten Lebensjahr wegen seiner Erkrankung
in ärztlicher Behandlung. Außerdem habe er gewusst, dass seine schulischen
Leistungen nach Absetzen der Tabletten in der 8. Klasse deutlich nachgelassen
hatten. Er habe also wissen müssen, dass er medizinische Maßnahmen ergreifen
müsse.
Gegen die Entscheidung des Familiengerichts legte der junge
Mann mit Erfolg Beschwerde ein. Die Richter des Kammergerichts erläuterten in
ihrer Entscheidung vom 10. Juni 2015 (AZ: 13 UF 12/15), dass Eltern zwar
verpflichtet seien, ihrem volljährigen Kind die Vorbildung zu einem Beruf zu
finanzieren. Andererseits seien die Kinder ebenso verpflichtet, „die Ausbildung
mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu
beenden“. Wenn das Kind das nicht tue, müssten die Eltern auch keinen Unterhalt
mehr zahlen. Vor diesem gesetzlichen Hintergrund hätte der Sohn eigentlich
keinen Anspruch mehr auf Zahlungen. Doch liege hier eine Ausnahme vor. Aufgrund
seiner Krankheit sei er gerade nicht in der Lage, für eine planvolle,
zielstrebige und fleißige Erstausbildung zu sorgen.
Ihm habe aufgrund seiner Krankheit die Einsichtsfähigkeit
gefehlt, dass er ärztliche Hilfe brauche. Daher habe sein Verhalten keinen
Einfluss auf seinen Unterhaltsanspruch.
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