(red/dpa). Eltern dürfen
ihrer 15-jährigen Tochter eine Liebesbeziehung zu einem über 30 Jahre
älteren Mann nicht verbieten, wenn dieses Verbot das Kindeswohl gefährdet.
Das entschied das Brandenburgischen Oberlandesgericht (Entscheidung vom 24.
März 2016; AZ: 9 UF 132/15).Das 15-jährige
Mädchen hatte eine Liebesbeziehung mit einem über dreißig Jahre älteren
Mann, einem angeheirateten ‚Onkel’. Ihre Eltern, die diese Beziehung
vehement ablehnten, ergriffen zahlreiche Maßnahmen, um den Kontakt zwischen
den beiden zu unterbinden. Das Mädchen setzte sich zunächst mit ihrem Freund
im Frühjahr 2015 nach Südfrankreich ab. Nachdem die beiden dort entdeckt
worden waren, fanden zahlreiche Gesprächsrunden und der Versuch einer
Familientherapie statt. Das führte jedoch nicht zu einer spürbaren
Befriedung.
Die Situation eskalierte weiter, das Mädchen tauchte
erneut unter. Parallel suchte sie sich die Unterstützung eines
Verfahrensbeistands. Sie kehrte dann nicht mehr ins Elternhaus zurück. Ihre
wechselnden Aufenthaltsorte hielt sie vor den Eltern weitestgehend geheim.
Im Sommer erreichten die Eltern für einige Wochen die Unterbringung ihrer
Tochter in der Psychiatrie.
Das Gericht lehnte das von den Eltern geforderte Kontakt-
und Näherungsverbot für den Partner ihrer Tochter ab. In der Tat drohten dem
Mädchen aus dem eskalierten Konflikt Gefahren für ihr Wohl. Das
Kontaktverbot wäre jedoch kein angemessenes und wirksames Mittel dagegen.
Die Richter wiesen darauf hin, dass ein solches Kontakt-
und Näherungsverbot für den Partner indirekt ebenso als Verbot für die
Jugendliche selbst wirke. Für den Reifeprozess eines Heranwachsenden sei der
Kontakt zu anderen und insbesondere zum anderen Geschlecht unverzichtbar.
Dabei müssten die Jugendlichen ihren eigenen Neigungen folgen dürfen. Man
verlange von einem Erwachsenen keine Begründung, warum er jemand möge oder
liebe. Und genauso wenig könne ein Teenager dazu verpflichtet werden. Die
Erziehung zur Mündigkeit erfordere, dass die Eltern ihr Bestimmungsrecht
zugunsten bloßer Kontrolle kindlicher Selbstbestimmung zurücknähmen.
Anderenfalls könne dies das Wohl des Kindes beeinträchtigen.
Die Richter vertraten die Ansicht, dass es sich für das
junge Mädchen um eine „schicksalhafte Konfliktsituation“ handele. Ihrer
Entscheidung sei als ein Akt der Selbstbestimmung eines heranwachsenden
Kindes ein hohes Gewicht beizumessen. Der Kindeswille könne hier nicht
übergangen werden, ohne dass dadurch das Kindeswohl gefährdet würde.
Die Jugendliche habe ihren Wunsch, diese Liebesbeziehung
weiter zu leben, „zielorientiert, erlebnisgestützt und stabil“ geäußert. Die
Richter sahen darin eine sehr bewusste Eigenentscheidung, die zu beachten
ist.