Eingeschränktes Vorfahrtsrecht bei Nebenwegen
Rostock/Berlin. Auch wer Vorfahrt hat, muss sich in eine
Kreuzung genauso vorsichtig hineintasten, wie ein Wartepflichtiger, wenn er aus
einem dem Anschein nach unbedeutenden und nicht einsehbaren Nebenweg kommt. Dies
ergeht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Rostock vom 23. Februar 2007
hervor (AZ. 8 U 40/06).
Ein Leichtkraftrad und ein Autofahrer stießen an einer
Kreuzung zusammen. Der Motorradfahrer näherte sich von rechts aus einer nicht
befestigten Straße, die zwei Bundesstraßen und mehrere Ortschaften miteinander
verbindet. Die Geländewagenfahrerin befand sich auf einer asphaltierten
Kreisstraße und näherte sich dem Motorradfahrer von links. Die Kreuzung war
durch starken Buschbewuchs nicht einsehbar, so dass die Fahrer sich gegenseitig
nicht wahrnehmen konnten. Bei dem Zusammenstoß wurde der vorfahrtsberechtigte
Motorradfahrer schwer verletzt und es entstand ein erheblicher Sachschaden. Der
Fahrer verlangte unter anderem Schmerzensgeld von 12.500,00 € und bekam vor dem
Landgericht Neubrandenburg recht. Gegen das Urteil wendete sich im nächsten
Rechtszug die Geländewagenfahrerin. Sie war der Ansicht, dass sie
vorfahrtsberechtigt gewesen sei, da der andere Fahrer zwar von rechts, aber aus
einem unbedeutenden Feldweg gekommen sei. Deshalb sei er wartepflichtig gewesen.
Das Oberlandesgericht sah dies nicht so. Die Autofahrerin habe
die Vorfahrt des von rechts kommenden Bikers missachtet und hierdurch den
Verkehrsunfall herbeigeführt. Der Motorradfahrer sei zwar auf einer
geschotterten Straße unterwegs gewesen. Allein wegen der Art des Fahrbahnbelages
sei diese aber nicht als bloßer Feld- oder Waldweg einzustufen. Hierfür komme es
vielmehr allein auf ihre Verkehrsbedeutung an. Als Feld- und Waldwege seien nur
solche Straßen anzusehen, die überwiegend land- oder forstwirtschaftlichen
Zwecken dienten und keine überörtliche Bedeutung hätten. Da der Schotterweg zwei
Bundesstraßen und drei Orte miteinander verbinde, sei er aber von überörtlicher
Bedeutung. Der Motorradfahrer trage aus Sicht der Richter jedoch vierzig Prozent
der Schuld, wenn er als Vorfahrtsberechtigter aus einem dem Anschein nach
unbedeutenden Nebenweg komme und von anderen nicht gesehen werden könne, diese
Verkehrssituation aber in seinem Fahrverhalten nicht berücksichtige. Er müsse
sich vorsichtig in die Kreuzung hineintasten wie ein Wartepflichtiger. Auch der
vorfahrtsberechtigte Verkehrsteilnehmer habe sich so zu verhalten, dass niemand
geschädigt oder gefährdet werde.
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