Strenge Anforderungen an den Nachweis
eines nicht auffindbaren Testaments
Nachdem ein Testament aufgesetzt wurde, besteht im Laufe der
Zeit oftmals Änderungsbedarf. Für die Wirksamkeit ist es dann wichtig,
nachweisen zu können, welches die letzte Änderung war. Manchmal sind Testamente
aber nicht auffindbar. Grundsätzlich gilt, dass der Wille des Erblassers auch
dann berücksichtigt werden soll, wenn das Testament nicht mehr vorliegt. An den
Nachweis der formgerechten Errichtung und des Inhalts eines nicht auffindbaren
Testaments sind aber strenge Anforderungen zu stellen.
Die Aussage von Zeugen, die das Testament nicht selbst gesehen
haben, reicht in der Regel nicht aus, entschied das Oberlandesgericht München am
22. April 2010 (Az: 31 Wx 11/10). Der im Alter von 80 Jahren verstorbene
Erblasser war zweimal geschieden. Seine dritte Ehefrau starb vor ihm. Aus der
dritten Ehe waren zwei Kinder, ein Sohn und eine Tochter, hervorgegangen.
Weitere Kinder hatte der Mann nicht. Mit seiner dritten Ehefrau hatte er einen
Erbvertrag geschlossen, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und
den Sohn zum Schlusserben einsetzten. Der überlebende Ehegatte sollte zur
Änderung dieser Schlusserbeneinsetzung befugt sein. In einem handschriftlichem
Testament verfügte der Erblasser, dass der Sohn die Doppelhaushälfte in
Deutschland und die Tochter ein Appartement auf den Kanarischen Inseln erhalten
sollten. Das Ferienhaus im italienischen Bardolino sollten die Geschwister je
zur Hälfte bekommen.
Später verfügte der Erblasser nochmals, dass die Kinder das
Anwesen in Bardolino je zur Hälfte erhalten sollten. Das Appartement auf den
Kanarischen Inseln dagegen wurde 1998 veräußert. Den Verkaufserlös erhielt die
Tochter. Einen Miteigentumsanteil an der Doppelhaushälfte in Höhe einer Hälfte
erhielt der Sohn 1994 als Geschenk. Der Wert dieses sich noch im Nachlass
befindlichen halben Miteigentumsanteil an der Immobilie in Deutschland wird von
den Beteiligten übereinstimmend mit 325.000 Euro und der Wert der Immobilie in
Bardolino mit 850.000 Euro angegeben. Nachdem ein Antrag des Sohnes auf
Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist, abgewiesen wurde,
beantragte er sodann einen Erbschein, der ihn als Miterben zu 63,83 Prozent und
seine Schwester als Miterbin zu 36,17 Prozent ausweist. Die Schwester wollte
eine andere Aufteilung. Der gemeinsame Vater habe noch ein weiteres
handschriftliches Testament errichtet, in dem er verfügt habe, dass der Bruder
das Anwesen in Deutschland ganz und sie selbst das Anwesen in Bardolino allein
erhalten solle. Dieses Testament sei zwar derzeit nicht aufzufinden, es sei aber
für die Erbfolge maßgeblich.
Das Gericht erteilte den Erbschein wie vom Sohn beantragt. Die
Erbfolge bestimme sich nach den vorliegenden Testamenten. Das nicht auffindbare
Testament sei nicht heranzuziehen. Das Gericht sei nicht mit hinreichender
Sicherheit davon überzeugt, dass der Erblasser überhaupt noch ein weiteres
Testament errichtet habe. Zum Nachweis eines testamentarischen Anrechts auf das
Erbe sei grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das
Erbrecht gestützt werde. Ist diese Urkunde nicht auffindbar, komme der allgemein
anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht
berühre, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet
worden, verloren gegangen oder nicht auffindbar sei.
In einem solchen Fall könne Errichtung und Inhalt des
Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden. An diesen
Nachweis seien aber wegen der hohen Bedeutung eines Testaments strenge
Anforderungen zu stellen. Gemessen an diesem Maßstab reichten dem Gericht die
Beweise dafür, dass der Erblasser tatsächlich ein neues Testament im Anschluss
an seine letztwillige Verfügung vom 2. November 2005 errichtet habe, nicht aus.
Der Beweiswert der Aussage des Ehemanns der Tochter erschöpfe sich darin, dass
der Erblasser diese Aussage getätigt haben soll. Ob er aber auch tatsächlich ein
solches Testament mit diesem Inhalt errichtet habe, dafür gebe die Aussage des
Zeugen keinen verlässlichen Aufschluss. Erblasser würden oft Angaben über
angeblich errichtete Testamente machen, die dann nicht den tatsächlichen
Gegebenheiten entsprächen. Zudem habe der Zeuge das Testament selbst nicht
gesehen.
◄
zurück
|