Nacheheliche Solidarität
Ein besonders schutzwürdiges Vertrauen eines Ehepartners muss
bei der Frage nach einer Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs
berücksichtigt werden. Maßgebend für eine solche nacheheliche Solidarität seien
die Umstände bei der Eheschließung und der Verlauf der Ehe, so der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 27. Mai 2009 (Az.: XII ZR
111/08).
Zum Zeitpunkt der Hochzeit im Jahre 1972 war die Ehefrau 16
Jahre alt und von ihrem Mann schwanger. Das Ehepaar bekam vier Kinder, das
letzte, geboren1987, lebt noch zu Hause und ist unterhaltsbedürftig. 1989 wurde
bei der Ehefrau Darmkrebs diagnostiziert. Sie gilt seit 1993 zu 100 % als
schwerbehindert. Die Ehe wurde 1998 geschieden. Die Klägerin bezieht
Erwerbsunfähigkeitsrente i.H.v. € 1040 sowie Einkünfte aus geringfügiger
Beschäftigung i.H.v. € 349. Ihr Exmann erzielt als Beamter unterhaltsrelevante
Nettoeinkünfte von rund € 2500. Der nacheheliche Krankheitsunterhalt wurde vom
OLG Hamm in wechselnder Höhe, zuletzt auf monatlich € 103, festgelegt. Eine
Befristung wurde abgelehnt. Mit seiner Revision beantragte der Beklagte die
Befristung seiner Unterhaltspflicht; die Klägerin mit ihrer Anschlussrevision
die Erhöhung ihres Unterhaltsanspruchs auf monatlich € 209 ab Juni 2008.
Der BGH hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen und das
angefochtene Urteil auf die Anschlussrevision der Klägerin aufgehoben und an das
OLG zurückverwiesen. Zwar könne nach § 1578 Abs. 2 S. 1 BGB der Anspruch auf
nachehelichen Unterhalt herabgesetzt oder zeitig begrenzt werden. Bei der dafür
notwendigen Billigkeitsabwägung müsse allerdings berücksichtigt werden,
inwieweit ehebedingte Nachteile dafür verantwortlich seien, dass der Unterhalt
nicht allein bestritten werden könne. Die Darmkrebserkrankung stelle aber gerade
keinen ehebedingten Nachteil sondern einen Schicksalsschlag dar. Allerdings
müsse gerade beim nahehelichen Krankheitsunterhalt auch eine über die
ehebedingten Nachteile herausgehende nacheheliche Solidarität berücksichtigt
werden. Bei dieser fänden auch die im Gesetz genannten Umstände wie Dauer und
Ausgestaltung der Ehe sowie Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder
Berücksichtigung. Im Gegensatz zu anderen Fällen sah der BGH hier ein besonders
schutzwürdiges Vertrauen aufgrund der Umstände bei der Eheschließung, dem Alter
der Ehefrau, der Schwangerschaft und der Aufgabe der Berufsausbildung sowie der
Tatsache, dass sich die Ehefrau während der 26jährigen Ehe ausschließlich der
Haushaltsführung und Kindererziehung gewidmet hatte.
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