Lebensmittelpunkt des Kindes: Entscheidend ist das Kindeswohl
Die Entscheidung des Gerichts, welcher Elternteil den
Lebensmittelpunkt eines Kindes festlegen darf, muss sich allein am Kindeswohl
orientieren. Dabei spielt unter anderem eine Rolle, wo das Kind bisher gelebt
hat und ob dieser Elternteil dem anderen ausreichend Umgang gewährt. Weitere
Anhaltspunkte sind die Bindung des Kindes und die Erziehungseignung der
Elternteile.
Das Oberlandesgericht Köln (Beschluss vom 31.07.2012, AZ: II-4
UF 262/11) hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem der Vater die
Erziehungseignung der Mutter in Frage stellte. Er begründete dies damit, dass
sie abends ab und zu ausgehe und zunehmend berufstätig sei. Zudem habe der Sohn
eine stärkere Bindung an den Vater.
Der Junge lebt seit seiner Geburt ununterbrochen im Haus der
Mutter. Sie betreut und versorgt ihn. Die Eltern hatten sich darauf verständigt,
dass die Mutter im ersten Lebensjahr Erziehungszeit nimmt. Nach der Trennung der
Eltern blieb der Junge im Haushalt der Mutter.
Der Antrag des Vaters blieb ohne Erfolg. Nach dem
Sachverständigengutachten, den Berichten des Jugendamts und des
Verfahrensbeistands sowie der persönlichen Anhörung von Eltern und Kind zeigten
sich die Richter überzeugt, dass die Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts für den Jungen auf die Mutter dem Kindeswohl am
besten entspricht.
Bei gleicher Erziehungseignung der Eltern spreche der
Grundsatz der Kontinuität entscheidend dafür, dass der Junge seinen
Lebensmittelpunkt im Haus der Mutter behalten solle. Trotz der derzeit etwas
stärkeren Orientierung des Jungen zum Vater entspreche eine Beibehaltung des
Lebensmittelpunktes bei der Mutter mit einem möglichst umfangreichen
Umgangsrecht des Vaters dem Kindeswohl am besten.
Der Junge habe sich altersgerecht entwickelt. Schon dieser
Entwicklungsstand spreche gegen die vom Vater wiederholt erhobenen Vorwürfe
gegen die Erziehungseignung der Mutter. Es sei keinesfalls zu beanstanden, wenn
sie an einem Abend ausgehe, soweit sie für eine angemessene Kinderbetreuung
sorge. Auch der Umstand, dass die Mutter zur Ausübung und Erweiterung der
Berufstätigkeit eine Fremdbetreuung in Anspruch nehme, rechtfertige nicht den
Wechsel des Kindes in den Haushalt des Vaters. Es bestünden somit keinerlei
Bedenken gegen die Erziehungsfähigkeit der Mutter.
Neben der Bindung zur Mutter verfüge der Junge am Wohnort über
Kontakte, die er bei einem Wechsel in den Haushalt des Vaters verlöre. Er
besuche vier Tage pro Woche die Kindertagesstätte. Nach Aussagen der
Erzieherinnen gehe er sehr gerne in die Einrichtung. Er sei ein
unproblematisches, sehr soziales Kind, freundlich, hilfsbereit und nicht
aggressiv.
Demgegenüber könne er die bestehenden familiären und
freundschaftlichen Beziehungen am Wohnort des Vaters durch das regelmäßige
umfangreiche Umgangsrecht weiter fortsetzen. Es sei für die Entwicklung des
Kindes positiv zu bewerten, dass er die Vorzüge einer ländlichen Umgebung am
Wochenende beim Vater unbeschwert genießen könne. Die Vorteile einer städtischen
Umgebung - das größere Angebot an Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen sowie
deren bessere Erreichbarkeit - gingen bei einem Wechsel des Wohnorts verloren.
Auch die etwas stärkere Orientierung zum Vater rechtfertige
keine andere Entscheidung. Der Junge verfüge über sichere Bindungen zu beiden
Eltern. Der Sachverständige habe dargelegt, dass in diesem Alter das Kriterium
der Bindung nicht zu hoch zu gewichten sei, da sich in der frühen Kindheit die
Orientierungen des Kindes sehr schnell ändern könnten.
Außerdem gehe das umfangreiche Umgangsrecht des Vaters weit
über das übliche Maß hinaus. Trotz des Elternkonflikts werde der Umgang an drei
Wochenenden im Monat regelmäßig und weitgehend unproblematisch praktiziert. Dies
spreche eindeutig für die Bindungstoleranz der Mutter.
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